Die Motette Os justi von Anton Bruckner entstand in einem besonderen Kontext: Bruckner komponierte sie für Ignaz Traumihler, den Chordirektor am oberösterreichischen Stift St. Florian und begeisterten Anhänger des Cäcilianismus. Jene Kirchenmusikbewegung des 19. Jahrhunderts hatte sich die klassischen Ideale des an Palestrina orientierten A-cappella-Stils auf die Fahnen geschrieben. Entsprechend antikisierend präsentiert sich Bruckners Komposition in kirchentonaler Aufmachung und mit an die klassische Vokalpolyphonie gemahnender Fuge im Mittelteil. Bruckner versteht es, die kirchenmusikalischen Traditionen mit seiner eigenen Tonsprache auf das Beste zu verbinden und schafft so jenes außergewöhnliche Werk romantischer Chorliteratur.